Einige Anleger ärgern sich vielleicht gerade, dass sie im Abschwung vor einigen Monaten ihr Depot verkauft haben, aber nicht rechtzeitig wieder eingestiegen sind. Andere ärgerten sich im März oder April 2020 darüber, dass sie ihr Depot vor dem Einbruch an den Märkten im März nicht verkauft haben. Für unerfahrene Anleger, die in Investments gehen wollen, ist die aktuelle Situation ein Paradebeispiel für die Diskussion, warum man mal wieder nicht am Aufschwung teilgenommen hat. In all diesen Fällen und regelmäßig im Anlegeralltag kommen oft die Gedanken „Hätte ich doch nur…“.
Man kann aus diesem Dilemma eine einfache Empfehlung ableiten: Meiden Sie den “Hätt-ich-mal-Club“. Denn das geschilderte Dilemma der Anleger hat entscheidungstheoretische Gründe, und es ist sogar leicht vermeidbar.
Die meisten unserer Entscheidungen beginnen mit der Wahrnehmung der Vergangenheit. Wenn der Markt läuft, sieht man keine Wolken, wenn der Markt fällt, sieht man keine Sonne. Man agiert nicht, da man keine Entscheidungskriterien entwickelt. Dieser Ansatz ist falsch, aber in der Wertung menschlich.
Man trifft natürlich jede Entscheidung auf der Basis der erlebten Vergangenheit unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Wissens. An der Stelle entsteht der Frust, dass man mal wieder nicht dabei war, man wäre aber gern dabei gewesen, und so weiter. Tatsächlich ist es so, dass jede Entscheidung nur für die Zukunft getroffen werden kann. Alle Entscheidungen werden vorher, EX ANTE, unter Unsicherheit getroffen, da niemand die Zukunft kennt. Erst die Entwicklung in der Zeit, in der die Zukunft zur Gegenwart und dann zur Vergangenheit wird, macht aus der Unsicherheit dann die Sicherheit des Erlebten. In allen menschlichen Bereichen. Die Beurteilung läuft dann also im Nachhinein, EX POST ab. Aus dem Empfinden der Vergangenheit wird dann die Extrapolation in die Zukunft. Soweit das Problem, warum häufig nicht entschieden wird. Es ist banal, aber auch fatal, dass auch eine „Nicht-Entscheidung“, also das Belassen des aktuellen Zustands, z.B. eines Portefeuilles, auch eine Entscheidung ist, nur eben eine passive, deren Auswirkungen nicht kalkuliert werden. Diese Entscheidungen, die in Bereichen, in denen man kein professioneller Teilnehmer ist, häufig durch einen aufwändigen Alltag in die Peripherie gerückt werden, sind ebenso stringent wie aktive Entscheidungen. Aus dem vorher Gesagten wird deutlich, dass es zumeist ein Mangel an Informationen und Bewusstsein ist, der das Dilemma entstehen lässt. Diesen Mangel gilt es zu beseitigen.
Dabei hilft die Wahrscheinlichkeitstheorie. Mit ihr kann man aus Entwicklungen und Koeffizienten der Vergangenheit Regressionen und Extrapolationen ableiten, welche die künftige Entwicklung möglichst weitgehend berechenbar machen. Im Bereich der Fondsindustrie werden solche Berechnungen, durchaus mehr oder weniger akkurat, angestellt. Es kann an dieser Stelle nun nur die Aufgabe eines guten Beraters sein, sich dieser Modelle seriös zu bedienen, um für den Anleger nach dessen eigenem Risikoempfinden eine passende Strategie zu entwickeln. Mit auf dieser Basis getroffenen Entscheidungen hat man beste Chancen, der fruchtlosen Mitgliedschaft im “Hätt-ich-mal-Club“ zu entgehen.
20.01.2021